Flexibilisierung der Arbeitszeit für Dienstleistungsunternehmen


Nach jahrelangem Verhandeln sind die neuen Bestimmungen am 1. Juli 2023 in Kraft getreten. Sie betreffen jedoch nur die IKT-Branche sowie die Unternehmen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Treuhand und Steuerberatung.

Martina Guillod

Eine 2016 von Konrad Graber eingereichte parlamentarische Initiative hatte zum Ziel, die Bestimmungen im Arbeitsgesetz betreffend Arbeits- und Ruhezeit für leitende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Fachspezialistinnen und Fachspezialisten in vergleichbar autonomer Stellung in Betrieben des Dienstleistungssektors zu flexibilisieren. 2019 wurden die Arbeiten ausgesetzt, um es den Sozialpartnern zu ermöglichen, eine Lösung auf Stufe Verordnung zu finden. Mit diesem Vorgehen musste das Arbeitsgesetz nicht geändert werden, denn dessen Revisionen sind bekanntlicherweise äusserst schwierig. Im August 2022 haben die Sozialpartner dem Bundesrat schliesslich einen Vorschlag unterbreitet, den dieser auf den 1. Juli 2023 in Kraft gesetzt hat.
Die Dauer des Gesetzgebungsverfahrens und der Verhandlungen zeigt es: Es war ein schwieriges Unterfangen. Und die meisten Branchen gehen leer aus. Tatsächlich betrifft die ausgehandelte Lösung nur zwei Sektoren: die Informations- und Kommunikationstechnik sowie Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Treuhand und Steuerberatung.

Neuer Artikel 32b ArGV 2: Unternehmen in der Informationsund Kommunikationstechnik
Gemäss Definition handelt es sich dabei um Unternehmen, die Dritten Produkte oder Dienstleistungen aus der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) anbieten. Dazu gehören zum Beispiel die Entwicklung und das Testen oder die Pflege von Software. Personal, das projektbezogen und termingebunden arbeitet, kann künftig im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit oder für dringende oder nicht vorhersehbare Arbeiten in einem Zeitraum von 17 Stunden (anstelle von wie bisher 14 Stunden) arbeiten. Die Dauer der täglichen Ruhezeit kann auf 9 Stunden reduziert werden, sofern über die Dauer von 4 Wochen eine durchschnittliche Ruhezeit von 11 Stunden eingehalten wird. Unterbrechungen der Ruhezeit sind ebenfalls möglich, sofern die Abeitsumstände keine andere Organisation erlauben, ausser während der Nacht (23 bis 6 Uhr) und am Sonntag. Es ist wichtig zu erwähnen, dass ausschliesslich erwachsene Personen, die IKT-Tätigkeiten ausüben, diese Sonderregelungen in Anspruch nehmen können. Administratives Personal oder Lernenden sind davon ausgeschlossen.

Neuer Artikel 34a ArGV 2: Unternehmen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Treuhand und Steuerberatung
Dieser Artikel betrifft Unternehmen, die hauptsächlich Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Treuhand und Steuerberatung anbieten. Mit ihrer schriftlichen Einwilligung können erwachsene Mitarbeitende gemäss einem besonderen Jahresarbeitszeit-Modell arbeiten. Diese Möglichkeit steht ausschliesslich Vorgesetzten sowie Spezialistinnen und Spezialisten zur Verfügung, die bei ihrer Arbeit über eine grosse Autonomie und über ein Bruttojahreseinkommen von mindestens 120000 Franken (Bonus inbegriffen) verfügen oder die alternativ im Besitz eines Diploms der höheren Ausbildung sind. Die vertragliche Wochenarbeitszeit kann im Jahresschnitt maximal 45 Stunden betragen, die effektiv in einer Woche geleistete Arbeitszeit darf 63 Stunden nicht überschreiten. Ende des Jahres darf die Anzahl von Stunden, die über die 45 Wochenstunden hinausgehen, nicht mehr als 170 betragen; während des Jahres darf diese Zahl jedoch überschritten werden. Sonntagsarbeit ist ohne Bewilligung während maximal 5 Stunden erlaubt an höchstens 9 Sonntagen pro Jahr. Die tägliche Ruhezeit kann für projektbezogene oder termingebundene Tätigkeiten unterbrochen werden, ausser nachts. Die Arbeitsdauer muss aufgezeichnet werden und der Arbeitgeber muss präventive Massnahmen im Bereich Gesundheitsschutz ergreifen.

Und die anderen…?
Der Anwendungsbereich dieser Flexibilisierung ist sehr beschränkt. Für die übrigen Mitarbeitenden ändert sich nichts. Sie unterstehen weiterhin den bekannten Regeln aus dem Arbeitsgesetz, darunter insbesondere das Verbot, an Sonntagen zu arbeiten, die 11 Stunden tägliche Ruhezeit und die Woche als Referenzgrösse für die Berechnung der Überzeit.

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