«Mit Lernenden zu arbeiten, war für mich wie eine Weiterbildung»


Die 1970 in Tentlingen gegründete Garage-Carrosserie Oberson AG schloss 2022 nach der Pensionierung ihres Patrons die Tore. Bernard Oberson begrüsst zwar die digitalen Kompetenzen der Lernenden, er macht sich aber Sorgen wegen der wachsenden Akademisierung der Gesellschaft.

Patricia Michaud

Würde es Sie stören, wenn wir uns erst nach 8 Uhr treffen würden?», fragt Bernard Oberson ein wenig verlegen. Während mehr als einem halben Jahrhundert hatte sein Wecker jeden Morgen um 6 Uhr geläutet. «Um 6.30 Uhr war ich bereits in der Garage.» Seit ein paar Monaten schläft er nun wohlverdientermassen jeden Morgen aus… bis um 7 Uhr. Weil er pensioniert wurde, schloss das von ihm zusammen mit seiner Gattin Berti gegründete Unternehmen 2022 seine Tore. Als Abschiedsgeschenk kam der in Tentlingen ansässigen AG die Ehre zuteil, zum besten Ausbildungsbetrieb des Kantons in der Kategorie «Technik und Mechanik» erkoren zu werden. Im Verlauf der Jahre sah Bernard Oberson über 30 Lernende kommen und gehen. «In der Regel bildeten wir zwei aufs Mal aus, einen im ersten oder zweiten Lehrjahr und einen im dritten oder vierten Lehrjahr.»

Elektronisierung und Akademisierung

Gefragt nach den Vorteilen, die das Ausbilden von Lernenden für ein Unternehmen wie die Garage-Carrosserie Oberson AG biete, antwortet der frisch Pensionierte verschmitzt: «Mit Lernenden zu arbeiten war für mich wie eine Weiterbildung. Die Jugendlichen bringen von ihren Kursen an der Berufsschule regelmässig das neuste Know-how aus dem Beruf in den Betrieb, besonders in Sachen Elektronik. Wenn man noch dazurechnet, dass die Lernenden gute Arbeitskräfte sind, energiegeladen und voller neuer Ideen, dann war das Engagement in der Berufsbildung für mein Unternehmen eine Win-win-Situation.»

Er gesteht aber auch gern ein: «Manchmal braucht es schon gute Nerven…» Glücklicherweise ist Bernard Oberson ein nachsichtiger, sehr nachsichtiger, ja sogar zu nachsichtiger Mensch. «Vielleicht hätte ich strenger sein müssen, besonders in Bezug auf die Sauberkeit der Werkstatt», witzelt er. Weil er – ein wenig – den verständnisvollen Papa gespielt hat, fühlten sich die Jugendlichen in seiner Garage «in der Regel wohl».

In den fünfzig Jahren gab es zahllose Veränderungen, hält Bernard Oberson fest. Beispielsweise nutzen die Lernenden mehr und mehr die neuen Technologien, sei es im beruflichen oder im ausserberuflichen Bereich. «Das hat auch sein Gutes, so kann man sich etwa rasch via Smartphone eine technische Information im Internet beschaffen.»

Eine andere Entwicklung hingegen macht dem Sensler immer wieder Sorgen. «Die Schule nimmt in der Ausbildung der Lernenden einen immer grösseren Raum ein. Ohne gute Noten gerät man ins Hintertreffen, und das halte ich für diskriminierend gegenüber bestimmten Jugendlichen, zum Beispiel gegenüber Lernenden mit einem Migrationshintergrund.» Zudem bestehe angesichts der Akademisierung der Gesellschaft die Tendenz, dass die Hochschulen die besten Lernenden für sich beanspruchen. «Ich finde es super, dass die Jugendlichen studieren, man sollte sie aber gleichzeitig dazu motivieren, in der Praxis zu bleiben, in den Jobs, in denen man sich auch mal die Hände schmutzig machen muss.»