Die Kunst, alle Standpunkte in der Arbeitgeberkammer zu vereinen


Die Arbeitgeberkammer ist das politische Organ des Freiburger Arbeitgeberverbandes (FAV). Sie wurde 1906 gegründet, mit dem Ziel, die Interessen der Wirtschaft zu vertreten, die sich damals im Aufbau befand. Sie entstand aus Kreisen des Gewerbes, überlebte die beiden Weltkriege und prägt heute die politische Ausrichtung des FAV.

Die Arbeitgeberkammer setzt sich aus 22 Mitgliedern zusammen, welche die verschiedenen Berufsverbände und die Regionen des Kantons vertreten. Ihre Mitglieder treffen sich viermal jährlich jeweils vor kantonalen oder eidgenössischen Urnengängen, um zu den Abstimmungsvorlagen entsprechende Empfehlungen abzugeben. Die Themen werden von der Direktion des FAV präsentiert. Sie erörtert alle Argumente, so dass die entsprechenden Entscheide im Interesse der Freiburger Wirtschaft getroffen werden können. Liliane Kramer, seit 2019 Präsidentin der Arbeitgeberkammer, berichtet über die Tätigkeit dieses Gremiums.

Frau Kramer, weshalb haben Sie sich dafür entschieden, in der Arbeitgeberkammer mitzuwirken?

Ich bin im Kanton Freiburg geboren, habe eine emotionale Bindung zu ihm und hatte den Wunsch, zu seinem Funktionieren beizutragen. Als Unternehmerin möchte ich mich für die Erhaltung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit unseres Kantons einsetzen. Aufgrund meiner Erfahrung kann ich gewisse Auswirkungen von politischen Entscheidungen auf die Unternehmen abschätzen.

Die Arbeitgeberkammer besteht aus 22 Mitgliedern, die aus unterschiedlichen Regionen und Berufen stammen. Ist eine einheitliche Stellungnahme trotzdem möglich?

Dafür sind die Diskussionsrunden da. Aber es stimmt, dass es Themen gibt, die kontrovers diskutiert werden, wie die Abstimmung über das CO2-Gesetz (Anm. d. Red.: am 13. Juni 2021 abgelehnt). Dies ist die erste Vorlage, bei der wir eine Stimmfreigabe beschlossen haben, da die Vertreter der im Baugewerbe
tätigen Berufsverbände deutlich für das Gesetz waren, während andere es ablehnten. Es gab keine klare Mehrheit der Mitglieder, daher beschlossen wir die Stimmfreigabe.

Jüngst erlitt das Mediengesetz (Anm. d. Red.: am 13. Februar 2022 abgelehnt) das gleiche Schicksal, allerdings aus anderen Gründen. Ich denke, die Diskussionen wären ganz anders verlaufen, wenn wir vor der Pandemie Stellung bezogen hätten. Diese Phase hat uns in Erinnerung gerufen, wie wichtig die Medien in Krisenzeiten sind.

Gewisse Stellungnahmen haben einige Ihrer Mitglieder wohl enttäuscht…

Das stimmt, aber unsere Entscheidungen werden immer zugunsten der kantonalen Wirtschaft getroffen. Die Abstimmung über das Verbot der Tabakwerbung (Anm. d. Red.: am 13. Februar 2022 angenommen) hat für Diskussionen gesorgt, da die Gesundheit der Jugendlichen ein zentrales Thema ist. Das Argument, das am stärksten ins Gewicht fiel, war jedoch die Wahrung der Handelsfreiheit. Wir befürchteten, dass das Werbeverbot weiter ausgedehnt werden könnte. Unsere Entscheide treffen wir jeweils mit Mehrheitsbeschluss und im Interesse der ganzen Wirtschaft.

Welches waren für die kantonale Wirtschaft die zuletzt bedeutendsten Abstimmungen?

In jüngster Zeit waren die wichtigsten Themen das CO2-Gesetz und das Covid-19-Gesetz (Anm. d. Red.: zweimal angenommen, am 13. Juni 2021 und am 28. November 2021). Seit der Pandemie sind die Diskussionen deutlich anders als vor 2020.

Was hat sich verändert?

Ich denke, niemand hat es jemals für möglich gehalten, in eine derartige Situation zu geraten. Einige Themen, die früher von Bedeutung waren, erscheinen heute völlig belanglos. Ich glaube, die Pandemie hat unser Verständnis des Begriffs «Freiheit» verändert und uns die Vorteile verdeutlicht, die wir in der Schweiz haben.

Welche Themen werden in Zukunft für die nationale oder kantonale Wirtschaft von Bedeutung sein?

Wir verfolgen einige wichtige Themen wie den Klimawandel und energiebezogene Fragen. Hier liegt die Antwort meiner Meinung nach in der Innovation. Wir müssen sie weiter fördern, sodass erneuerbare Energien ausgebaut und Lösungen gefunden werden können, die es der Wirtschaft ermöglichen, weiter zu wachsen und gleichzeitig unseren Planeten zu schonen. Ein weiteres wichtiges Thema ist die demografische Entwicklung, die damit einhergehenden Herausforderungen wie die AHV-Reform oder die Problematik des Mangels an qualifizierten Arbeitskräften.

Wie wirkt sich aus Ihrer Sicht der Krieg in der Ukraine auf die Freiburger Wirtschaft aus?

Ich bin besorgt angesichts des Konflikts in der Ukraine. Die Situation ist umso herausfordernder, da wir gerade erst eine Pandemie überstanden haben. Diese beiden Ereignisse machen uns deutlich, wie wichtig Stabilität auf der Welt ist.

Dieser Krieg wird vereinzelt einige Unternehmen treffen, die mit Russland oder der Ukraine Handel betreiben. Die stärkste Auswirkung liegt jedoch in der Erhöhung der Preise für fossile Brennstoffe. Ich glaube nicht, dass wir eine Rezession befürchten müssen. Die Inflation und die Engpässe, die sich bereits vor dem Krieg abgezeichnet haben, werden jedoch sicherlich ansteigen, was für die Wirtschaft im Allgemeinen beunruhigend ist.

Wussten Sie schon?

Der FAV hat Einsitz in der Schweizerischen Gewerbekammer, dem politischen Organ des Schweizerischen Gewerbeverbandes (sgv). Diese Kammer setzt sich aus 65 Vertretern von Berufsverbänden und 26 Vertretern der kantonalen Gewerbeverbände zusammen. Derzeit vertritt Liliane Kramer, die Präsidentin der Arbeitgeberkammer, den FAV in der Schweizerischen Gewerbekammer.

Diese Abstimmungen haben die kantonale Wirtschaft geprägt:

  • Die Abstimmung über die Steuerreform und Finanzierung der AHV (STAF) (angenommen am 19. Mai 2019) und ihr kantonales Gegenstück, die Freiburger Steuerreform (RFFR) (angenommen am 30. Juni 2019).

Diese Vorlagen haben sich auf die Rahmenbedingungen der Wirtschaft ausgewirkt. Zur Erinnerung: RFFR, die kantonale Vorlage, enthielt eine Sozialsteuer in der Höhe von insgesamt 22 Millionen Franken: 12 Millionen Franken für Familienzulagen und 5,2 Millionen Franken für die Berufsbildung.

  • Die Abstimmung über den Bau einer 2. Gotthard- Strassenröhre (angenommen am 28. Februar 2016).

Diese Abstimmungsvorlage bot dem FAV die Gelegenheit während der Kampagne, Doris Leuthard anlässlich
einer Diskussionsveranstaltung zu begrüssen.