Vorsicht bei der Entlassung von älteren Mitarbeitenden!


Das Schweizerische Arbeitsrecht ist von der Vertragsfreiheit geprägt. Konkret heisst das, dass jede Partei den Vertrag beenden kann, im Prinzip ohne besonderen Grund. Die Entlassung eines älteren Mitarbeitenden bildet hier allerdings eine Ausnahme.

Das Bundesgericht (BGer) hat bereits im Jahr 2005 damit begonnen, bei Entlassungen von älteren Mitarbeitenden Grenzen zu setzen. 2014 haben sich die Dinge erheblich kompliziert: Das BGer hat bestätigt, dass der ältere Mitarbeitende das Recht hat, über die geplante Kündigung informiert und angehört zu werden. Der Arbeitgeber ist zudem gehalten, alternative Lösungen zu suchen, die es ermöglichen, die bestehende Arbeitsbeziehung fortzuführen; so soll er beispielsweise prüfen, ob der Mitarbeitende allenfalls intern an einer anderen Stelle beschäftigt werden kann.

Das BGer hat kürzlich diese Rechtsprechung, die zahlreiche Arbeitgeber vor Probleme stellte, näher ausgeführt. Gemäss Urteil vom 2. Juni 2021 (4A_44/2021) besteht für den Arbeitgeber in der Tat eine erhöhte Fürsorgepflicht gegenüber langjährigen älteren Mitarbeitenden. Das BGer weist aber auch darauf hin, dass es wichtig sei, sämtliche Umstände zu würdigen.

Im konkreten Fall, über den das BGer zu befinden hatte, war der Mitarbeitende 60 Jahre alt und zum Zeitpunkt der Kündigung bereits 37 Jahre beim Arbeitgeber beschäftigt. Er war Direktor und Mitglied des Verwaltungsrats des Unternehmens. Die erste und die zweite Instanz hatten geurteilt, dass die Kündigung missbräuchlich sei, habe doch der Arbeitgeber den Mitarbeitenden vor der Kündigung nicht angehört und er habe auch nicht nach anderen Lösungen gesucht.

Der Arbeitgeber zog das Urteil weiter an das BGer, das ihm schliesslich Recht gab. DasBGer begründete das Urteil damit, dass das Alter und das Dienstalter nicht allein entscheidend seien, man müsse vielmehr sämtliche konkreten Umstände berücksichtigen, darunter vor allem die hierarchische Position des Mitarbeitenden, hier also Direktor und Verwaltungsrat. Eine alternative Lösung ist für einen Mitarbeitenden in dieser Position schwierig zu finden. Zudem befand das BGer, dass im vorliegenden Fall kein krasses Missverhältnis der Interessen vorliege angesichts der Tatsache, dass der Mitarbeitende erhebliche Entscheidkompetenzen innehat und grosse Verantwortung trägt. Das BGer hat deshalb entschieden, dass die Entlassung allein wegen des Umstandes, dass der Mitarbeitende nicht angehört wurde und der Arbeitgeber keine alternative Lösung gesucht hat, nicht als missbräuchlich betrachtet
werden kann.

Es kann festgehalten werden, dass dieses Urteil dem Arbeitgeber einen grösseren Handlungsspielraum einräumt, wenn er einem älteren Mitarbeitenden oder einem Mitarbeitenden mit einer gewissen Erfahrung, der eine hierarchisch wichtige Stellung innehat, kündigen möchte. Leider ist es aber für die übrigen Kategorien von Mitarbeitenden noch immer nicht einfach, die Massnahmen zu bestimmen, die ein Arbeitgeber vor einer Entlassung ergreifen muss. Es ist also Vorsicht geboten, wenn Sie sich von einem älteren Mitarbeitenden trennen möchten!

Überhaupt: Ab wann genau betrachtet das Bundesgericht einen Mitarbeitenden als «älter»? Das BGer lehnt es ab, ein genaues Alter zu nennen. Es ist aber interessant zu wissen, dass sich das oben erwähnte Urteil aus dem Jahr 2014 auf einen Mitarbeitenden im Alter von 59 Jahren und mit 11 Dienstjahren bezog. Die betreffende Rechtsprechung kann also eine grosse Anzahl von Mitarbeitenden betreffen.

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