Der neue Generalsekretär des Dachverbandes der FER, Arnaud Bürgin, der gleichzeitig Generaldirektor der FER Genf ist, möchte die kantonale Vielfalt in eine gemeinsame Stärke verwandeln. Er will Herausforderungen frühzeitig erkennen, Kompetenzen bündeln und mit einer einzigen Stimme für die Arbeitgeberschaft der Westschweiz sprechen.
Was hat Sie an der Aufgabe des Generalsekretärs der FER gereizt?
Der Dachverband der FER ist wichtig, weil wir uns in der Schweiz in einem föderalen Rechtsrahmen bewegen. Er vertritt 47 000 Mitglieder aus der Westschweiz, die von den deutschsprachigen Dachverbänden oft nicht ausreichend gehört werden. Gemeinsam sind wir stärker.
Sie sagen, Sie hätten eine «Zuneigung» zur FER. Was verkörpert sie Ihrer Meinung nach?
Sie verkörpert den Zusammenhalt der Westschweizer Wirtschaft. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen und muss weiterentwickelt werden. Unternehmen im Jura oder in Freiburg haben ihre Besonderheiten, aber auch gemeinsame Herausforderungen. Gemeinsam gewinnen wir an Gewicht, und unsere Stimme findet mehr Gehör.
Die FER Genf hat eine Phase der Instabilität durchlaufen. Ist der Zusammenhalt wiederhergestellt?
Diese Phase liegt hinter uns. Die Ernennung eines stellvertretenden General sekretärs aus einer anderen FER-Aussenstelle, Flavien Claivaz aus dem Wallisschafft echte Brücken innerhalb des FER-Netzwerks.
Bei der FER Genf werden derzeit Überlegungen zu einem Strategieplan 2030 angestellt. Können Sie uns die Grundzüge davon vorstellen?
Dieser Plan ist eine Art Roadmap, die die Richtung vorgibt, in die sich die FER Genf in den kommenden fünf Jahren entwickeln soll. Er ermöglicht es uns, uns auf jene Herausforderungen vorzubereiten, die wir für die Zukunft als besonders wichtig erachten. Der Plan weist auf ein Krisenszenariohin, das auf allen Ebenen sichtbar ist: politisch durch das Aufkommen extremer Strömungen, wirtschaftlich durch den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, durch die Spannungen mit der EU sowie die allgegenwärtige digitale und energetische Wende. Diese Herausforderungen haben zu vier zentralen Schwerpunkten für die FER Genf geführt: HR und Organisation, Transformation und Innovation (einschliesslich Fragen im Zusammenhang mit KI), Arbeitsmarkt sowie operative Effizienz und Wachstum der FER in Bezug auf Mitglieder und Lohnsumme.
Wie wird er konkret umgesetzt?
Der Plan enthält operative Ziele, die in den Abteilungen der FER Genf umgesetzt werden. So erstellt die HR-Abteilung beispielsweise eine Übersicht über unsere aktuellen und zukünftigen Kompetenzen. Dadurch können wir die Entwicklung der Berufe voraussehen und intern neue Qualifikationen aufbauen. Auf diese Weise lässt sich das mögliche Verschwinden bestimmter Aufgaben im Zuge technologischer Fortschritte antizipieren, und Mitarbeitende können durch Anpassung und Weiterentwicklung ihrer Kompetenzen einsatzfähig bleiben.
« Wir müssen zusammenhalten, um in Bern stark zu sein und die Westschweizer Unternehmen zu verteidigen. »
Inwiefern beeinflusst dieser Plan die anderen Organisationseinheiten des FER-Netzwerks, insbesondere den FAV?
Jede Aussenstelle der FER sollte über einen eigenen Plan verfügen, wie alle Unternehmen einer gewissen Grösse. Unser Ziel ist es, uns über diese Herausforderungen und Zukunftsvisionen auszutauschen, um dann auf Westschweizer Ebene auf einem gemeinsamen Nenner zusammenzuarbeiten und somit einer einzigen Stimme zu sprechen.
Wie sehen Sie die Zukunft des Dachverbands der FER und die Begleitung von KMU?
Die Lobbyarbeit auf Bundesebene wird immer wichtiger, sei es in den Bereichen Energie, bilaterale Abkommen, Infrastruktur oder Arbeitsmarktbedingungen. Immer mehr Fragen werden in Bern diskutiert und entschieden. Wir beschäftigen daher eine Mitarbeiterin mit Büro und Netzwerk in Bern, die die Anliegen der Westschweizer Wirtschaft gegenüber den Parlamentsmitgliedern vertritt. Zudem haben wir mit Nadine Gobet, Direktorin der Fédération patronale et économique (FPE) in Bulle und Mitglied des Nationalrats, eine wichtige interne Vermittlerin.
In Freiburg läuft die Kampagne zum Mindestlohn auf Hochtouren. Genf lebt bereits damit. Haben Sie eine Botschaft an die Freiburgerinnen und Freiburger, die im November zur Abstimmung aufgerufen sind?
Die Partner der Arbeitgeberschaft sind die Gewerkschaften. Seit wir in Genf einen Mindestlohn haben, finden jedoch immer weniger Gespräche mit ihnen statt. Der Mindestlohn macht viele Diskussionen überflüssig. Vor seiner Einführung trafen sich Arbeitgeberschaft und Gewerkschaften regelmässig am Verhandlungstisch, um über Löhne sowie weitere Themen wie Zulagen oder Reisespesen zu sprechen. Durch die Festlegung eines Mindestlohns setzen sich die Partner jedoch nicht mehr zusammen, was ganze Branchen verhärtet. Das ist ein echter Schlag gegen die Sozialpartnerschaft.
Was bringt der FAV aus Ihrer Sicht dem Netzwerk der FER?
Der FAV ist ein historischer und strategischer Pfeiler der FER. Er zählt fast 8700 Mitglieder und verfügt über eine wertvolle Nähe zu Bundesbern. Zudem hat er gemeinsam mit der FER Genf die erste AHV-Kasse gegründet. Durch seine Lage im Zentrum des Landes besitzt der FAV eine starke nationale Verankerung. Er bringt eine andere Kultur und Sensibilität mit, insbesondere aufgrund seiner Zweisprachigkeit.
Sind Sie der Meinung, dass die Stimme der Westschweizer Arbeitgeberschaft ausreichend geeint ist?
Ich denke, dass wir uns noch verbessern können. Mit dem Beitritt des Dachverbands der FER zum Schweizerischen Arbeitgeberverband (SAV) am 1. Januar 2026 erreichen wir einen wichtigen Meilenstein. Dies wird uns unmittelbares Gewicht in den nationalen Arbeitsgruppen verschaffen und die Stimme der Westschweiz stärken. Der Bundesrat wendet sich in Fragen, die die Arbeitgeberschaft betreffen, regelmässig an den SAV. Durch die Mitgliedschaft in dieser Organisation können wir die Standpunkte der Westschweiz auf nationaler Ebene einbringen und unserer Stimme mehr Gehör verleihen.
Welche konkreten Synergien zwischen den Aussenstellen der FER möchten Sie entwickeln?
Wir müssen die Stärken jeder einzelnen Aussenstelle gezielt nutzen und die Dienstleistungen stärker bündeln. Denkbar wären Kompetenzzentren pro Aussenstelle. Das Walliser Fachwissen über die Herausforderungen des Einzelhandels angesichts ausländischer Plattformen ist für Freiburg ebenso wertvoll wie für Genf. Freiburg wiederum ist zweisprachig und stellt damit eine verlässliche Schnittstelle zu Bern dar. Genf bringt ein internationales Netzwerk ein. Gemeinsam können wir bessere Argumente vorbringen und Lösungen schneller vorantreiben. Ich glaube fest an die Entwicklung des Dachverbands der FER. Wir müssen zusammenhalten, um in Bern stark zu sein und die Westschweizer Unternehmen zu verteidigen.