Unternehmen entlasten, um die Wirtschaft anzukurbeln


Urs Furrer, Direktor des sgv, war Ehrengast bei der Generalversammlung des FAV. Er sprach über den Mindestlohn, das Abkommen mit der EU und die geopolitischen Spannungen.

Urs Furrer, der kürzlich zum Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes (sgv) ernannt worden war, betonte, dass angesichts der Regulierungsflut, die auf den KMU lastet, dringender Handlungsbedarf besteht. Vor dem Hintergrund geopolitischer Spannungen, der Energiewende und institutioneller Reformen plädiert der sgv für günstige Rahmenbedingungen, sowohl im administrativen Bereich als auch in der Berufsbildung. Ein Interview mit unserem Ehrengast Urs Furrer am Rande der Generalversammlung.

Sie stehen seit Kurzem an der Spitze des Schweizerischen Gewerbeverbandes (sgv). Was sind derzeit die Hauptschwerpunkte bei der Interessenvertretung der Schweizer KMU?

Unsere KMU bilden das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft, aber sie stehen unter grossem Druck. Regulierungen und Steuern belasten sie zunehmend. Dieser schädlichen Entwicklung Einhalt zu gebieten, ist für mich eine absolute Priorität. Unsere KMU müssen von bürokratischen Auflagen befreit werden, damit sie mehr Zeit für ihr Kerngeschäft, ihre Kunden und ihre Mitarbeitenden haben.Wir müssen auch dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen für die Berufsbildung weiterhin günstig bleiben. Denn diese garantiert den Unternehmen gut ausgebildetes Fach- und Führungspersonal und fördert den Unternehmergeist in unserem Land.

Die Schweiz steuert auf ein neues institutionelles Abkommen mit der Europäischen Union zu. Welche Garantien erachten Sie als wesentlich, damit dieses Abkommen die Handlungsfreiheit der KMU nicht beeinträchtigt?

In den letzten Jahren hat die EU zu viele Regulierungen eingeführt. Der Verwaltungsaufwand für Unternehmen hat stark zugenommen. Wir müssen daher die Abkommen zwischen der Schweiz und der EU sorgfältig prüfen und beurteilen, ob und inwieweit die Übernahme bestehender und künftiger EU-Regelungen die administrative Last für Schweizer KMU erhöht. Flankierende Massnahmen sind notwendig, um faire Bedingungen für das Schweizer Gewerbe und die KMU zu garantieren.

Falls dieses Abkommen dem Volk zur Abstimmung vorgelegt wird, was wären Ihrer Meinung nach die Kernbotschaften, die dem Schweizer Unternehmertum vermittelt werden sollten?

Es gilt als ziemlich sicher, dass es eine oder mehrere Volksabstimmungen über die Abkommen mit der EU geben wird. Um eine fundierte Meinung zu bilden, führen wir eine breit angelegte interne Konsultation durch, an der alle unsere Mitglieder teilnehmen können. Die Argumente für und gegen die Abkommen aus Sicht des Gewerbes müssen sorgfältig geprüft und gegeneinander abgewogen werden. Diese Prüfung bezieht sich einerseits auf Fachthemen wie den Strommarkt oder die Lebensmittelsicherheit, andererseits auf die direkten und indirekten Auswirkungen institutioneller Fragen auf die KMU.

« Unsere KMU müssen von bürokratischen Auflagen befreit werden, damit sie mehr Zeit für ihr Kerngeschäft haben. »

Die Gefahr einer Rückkehr zu protektionistischen Massnahmen in den USA beunruhigt mehrere exportorientierte Schweizer Branchen. Wie schätzt der sgv dieses Risiko ein, und welche Massnahmen empfehlen Sie, um den KMU den Zugang zu internationalen Märkten zu sichern?

Für exportorientierte KMU ist das Umfeld in den letzten Monaten schwieriger und unberechenbarer geworden. KMU sind in besonderem Masse auf den Zugang zu internationalen Märkten angewiesen, da sie in der Regel ausschliesslich in der Schweiz produzierenund ihre Produktionsstätten nicht in die Exportmärkte verlagern können. Deshalb ist es wichtig, dass die Schweiz ihr Netz von Freihandelsabkommen weiter ausbaut und bestehende Abkommen aktualisiert. Dazu gehören beispielsweise der Abschluss eines Freihandelsabkommens mit den Mercosur-Ländern (Anm. d. Red.: Gemeinsamer Südamerikanischer Markt) oder die Erweiterung des Freihandelsabkommens mit China.

Die Auswirkungen der steigenden Energiepreise beunruhigen viele Unternehmen. Welche Lösungen schlägt der sgv vor, um die Wettbewerbsfähigkeit der KMU zu erhalten?

Die KMU sind auf eine sichere und kostengünstige Stromversorgung angewiesen. Die Schweiz muss daher ihre Energieproduktion ausbauen, insbesondere im Bereich der verlässlichen Bandenergie. Dabei darf es keine technologischen Verbote geben. Deshalb muss das Verbot, neue Kernkraftwerke zu bauen, aufgehoben werden.

Der sgv verweist regelmässig auf die übermässige administrative Belastung der Unternehmen. Welche Schritte verfolgen Sie auf Bundesebene, um diese Auflagen zu verringern, und welche konkreten Ergebnisse erwarten Sie?

Vor Kurzem ist das Bundesgesetz über die Entlastung der Unternehmen von Regulierungskosten (UEG) in Kraft getreten. Dieses Gesetz wurde vom sgv initiiert und verpflichtet dazu, die administrativen Belastungen für Unternehmen zu reduzieren und die Digitalisierung der Behördenleistungen zu beschleunigen. Wir fordern eine konsequente Umsetzung dieser Prinzipien. Darüber hinaus engagieren wir uns auf verschiedenen Ebenen gegen kostentreibende Regulierungen. Auch hier steckt der Teufel oft im Detail, was unseren Kampf gegen die Regulierungsflut zwar anspruchsvoll, doch umso notwendiger macht.

Der Druck rund um die Einführung von Mindestlöhnen steigt. Insbesondere im Kanton Freiburg zeichnet sich eine Debatte zu diesem Thema ab. Wie verteidigt der sgv die regionalen Unterschiede der Lohnverhältnisse bei gleichzeitigen Forderungen nach zunehmender sozialer Gerechtigkeit?

Zunächst einmal zeichnet sich die Schweiz dadurch aus, dass die Einkommensungleichheit vergleichsweise gering ist, auch wenn oft das Gegenteil behauptet wird. Das Bundesgesetz über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (AVEG) wird derzeit überarbeitet. Mit dieser Revision soll sichergestellt werden, dass die von den Sozialpartnern in Gesamtarbeitsverträgen (GAV) ausgehandelten und vom Bundesrat für allgemeinverbindlich erklärten Mindestlöhne Vorrang vor regionalen oder kommunalen gesetzlichen Mindestlöhnen haben. Der sgv setzt sich dafür ein, dass diese notwendige Anpassung vom Parlament angenommen wird.

Sie vertreten einen Dachverband. Wie arbeiten Sie mit kantonalen Verbänden wie dem FAV zusammen, um die
Anliegen der Basis einzubringen?

Der Austausch mit den kantonalen Gewerbeverbänden ist für mich zentral. Ich besuche sie daher sehr gerne. Innerhalb des sgv haben wir diesen Austausch zudem institutionalisiert: Wir verfügen über eine Direktoren- und Sekretärenkonferenz der kantonalen Gewerbeverbände, die sich regelmässig trifft. Dabei tauschen sich die Ressortverantwortlichen unserer Geschäftsstelle und ich intensiv mit den Vertreterinnen und Vertretern der kantonalen Verbände aus. Auch ausserhalb dieser Veranstaltungen pflegen wir einen engen und regelmässigen Austausch.