Anfang 2023 setzte Liip, eine Freiburger Agentur für digitale Lösungen, einen Chatbot für die gesamte Internetseite der Stadt Zürich ein. Dies erregte in der ganzen Schweiz viel Aufmerksamkeit, führte zu Auszeichnungen sowie neuen Projekten für kantonale und kommunale Verwaltungen und das Gesundheitswesen, wie etwa das HUG (Universitätsspital Genf). Auch der Kanton Freiburg zieht mit. So hat beispielsweise das Amt für Gemeinden kürzlich einen Chatbot online gestellt.
«Für unsere Projekte ist es wichtig, dass das Instrument zuverlässig ist, dass wir es nach den Wünschen unserer Kunden einsetzen und anpassen können und gleichzeitig die Vertraulichkeit der Daten gewährleistet ist», erklärt Gerhard Andrey, Mitbegründer und Mitglied des Verwaltungsrats von Liip und Freiburger Nationalrat (Grüne).
Liip nutzt KI auch intern für sein firmeneigenes Intranet: «Mit diesem Tool können wir interaktiver und gezielter mit dem Know-how unseres Unternehmens interagieren als mit einer herkömmlichen Suchmaschine», erklärt er. Da es keine rigide Richtlinie gibt, hängt die Akzeptanz dieser Instrumente von der internen Kultur ab: «Wir haben eine agile und dynamische Unternehmenskultur, da wir in einer Branche tätig sind, die solchen Werkzeugen gegenüber offen ist. Aber sie lassen sich auch problemlos in jede Art von KMU interieren», erinnert Gerhard Andrey.
Über die technologischen Projekte hinaus vertritt der Mitbegründer und gewählte Volksvertreter eine gesellschaftliche Vision: «Ich denke, dass sich die Technologie in Richtung einer kollektiven KI entwickeln muss, die wie ein Gemeingut ist und daher nicht von einer Handvoll grosser Unternehmen dominiert wird.»
Seiner Meinung nach braucht es die öffentliche Hand als treibende Kraft. Er nennt als Beispiel den Kredit von 250 Millionen Franken, den der Bund für eine Swiss Government Cloud bereitgestellt hat, und fügt hinzu: «Während der Frühjahrssession habe ich zusammen mit meinem Zuger Kollegen Matthias Michel (FDP) eine Motion in beiden Parlamentskammern eingebracht. Sie fordert eine offene Debatte unter Einbezug der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft und der Industrie, um den Rahmen festzulegen, den wir uns in der Schweiz für die KI wünschen.»
« Wir haben in der Nutzung von KI mehr Chancen als Risiken gesehen. » Damien Perritaz
Experimentieren mit KI zur Optimierung von Industrieprozessen Das in Villaz-Saint-Pierre ansässige Unternehmen Asyril, das in der Maschinenautomatisierung tätig ist, integriert seit 2019 KI mit Bildverarbeitungsalgorithmen, die für das Sortieren von Industrieteilen bestimmt sind. «Diese Technologien haben die Konfigurationsarbeit für unsere Kunden vereinfacht und die Leistung ihrer Maschinen verbessert. Diese Entwicklung hat es uns ermöglicht, unsere Kompetenzen im Bereich KI zu erweitern», erklärt Damien Perritaz, CTO des Unternehmens.
Mit dem Aufkommen der generativen KI verfolgt Asyril einen bewusst offenen Ansatz: «Ich habe mich persönlich für diese neue Technologie interessiert, als sie auf den Markt kam, habe sie getestet und dann einen Workshop mit dem Topmanagement veranstaltet, um ihnen die Möglichkeiten aufzuzeigen und sie zu ermutigen, das Werkzeug auszuprobieren.»
Bisher hat das Unternehmen keinen verbindlichen Rahmen für die interne Nutzung von KI festgelegt. «Es ist ein weiteres Werkzeug, das die Mitarbeitenden einsetzen können, wenn sie es als nützlich erachten. Ich denke, es ist wichtig, zuerst zu experimentieren und dann zu regulieren. Wir haben in seiner Nutzung mehr Chancen als Risiken gesehen.» Er erklärt, dass kürzlich eine Arbeitsgruppe eingesetzt wurde, die sich mit dem Thema befasst und einen Nutzungsrahmen erarbeitet. Im vergangenen Jahr wurden in einem zweiwöchigen Techno-Sprint – eine regelmässig von der Forschungs- und Entwicklungsabteilung durchgeführte Experimentierrunde – die vielversprechendsten Anwendungen identifiziert. So wurde in der Folge ein internes Tool zur Vereinheitlichung des Quellcodes eingeführt, das ausschliesslich bei Dateien ohne sensible Daten verwendet wird, um das Team zu unterstützen und einen Teil des Codes zu kontrollieren. Gleichzeitig wurde eine KI in die Online-Schulungsvideos integriert, mit automatisierter Übersetzung.
« Ich denke, dass sich die Technologie in Richtung einer kollektiven KI entwickeln muss, die wie ein Gemeingut ist.» Gerhard Andrey
Gerhard Andrey ist überzeugt, dass die Auswirkungen auf das Wirtschaftsgefüge weitreichend sein werden: «Die Veränderungen werden nicht so schnell eintreten, wie wir uns das heute vorstellen, aber sie werden wahrscheinlich radikaler sein, als wir es heute erahnen können.» Die Führungskräfte sind sich einig, dass es wichtig ist, mit einem Pilotprojekt zu starten, um zu testen, zu lernen und die Teams einzubeziehen, ohne alles auf einen Schlag umzukrempeln.
Aus diesen beiden Erfahrungen lassen sich einige Grundzüge ableiten. Die Einführung von KI beruht auf einer Unternehmenskultur, die offen für Experimente ist. Die Werkzeuge mögen leistungsstark sein, doch ihr Einsatz erfordert ein Überdenken der internen Prozesse. Die Sorge um die Wahrung der Souveränität und des Datenschutzes ist allgegenwärtig.
Es zeigt sich, dass sich im Kanton Freiburg die Initiativen rund um das Thema KI vervielfachen. Von der öffentlichen Verwaltung über die Industrie bis hin zu Unternehmensdienstleistungen machen konkrete Beispiele deutlich, dass dieser Wandel bereits in vollem Gange ist. Dies mit Vorsicht, Ehrgeiz und der Absicht, die Kontrolle über Technologie und Daten zu gewährleisten.
REF-lex: KI als juristische Unterstützung für Unternehmen
Die Fédération des Entreprises Romandes (FER) hat sich früh für das Potenzial von KI interessiert. Vor einem Jahr hat sie das Portal REF-lex eingeführt, dass es bis heute nur auf französisch gibt. Es ist eine digitale Plattform für Rechtsberatung, die gezielt auf die Bedürfnisse von Unternehmen im Bereich des Arbeitsrechts zugeschnitten ist. «Dieses Tool bietet weit mehr als nur Vorlagen für Verträge oder Briefe; mit integrierter künstlicher Intelligenz leitet es die Nutzenden und erteilt spezifisch Auskunft», erklärt Roxane Zappella, Direktorin der FER Neuenburg und Projektleiterin.
REF-lex umfasst unter anderem einen Rechner sowie einen Chatbot, der auf einer generativen KI basiert und systematisch seine Quellen aus dem «Guide de droit du travail au quotidien», einem von der FER herausgegebe-
nen Nachschlagewerk, zitiert. «Dieser Chatbot antwortet in natürlicher Sprache wie ChatGPT, aber unter Berücksichtigung der spezifischen Angaben der gestellten Frage. Zudem gibt er seine Quellen in Form aktiver Links an», erläutert Roxane Zappella.
Die Benutzer schätzen das Tool als vielversprechend ein, auch wenn sich gewisse Nutzungsmuster noch einspielen
müssen: «Wir verzeichnen grosses Interesse an unseren Webinar-Präsentationen, und die Unternehmen, die REF-lex nutzen, zeigen sich sehr zufrieden. Das Tool ist eine wertvolle Ergänzung zu den Dienstleistungen von Juristen für einfache Fragen zum Arbeitsrecht oder eine gute Unterstützung beim Verfassen von Texten oder Berechnungen, auch wenn es das Gespräch mit einer Fachperson und die persönliche Beratung nicht ersetzen kann», betont sie. Als klarer Vorteil gilt die permanente Verfügbarkeit: «REF-lex steht Tag und Nacht, werktags und am Wochenende zur Verfügung.»
Die Vertraulichkeit der Daten war bei der Entwicklung dieser Plattform ein zentraler Punkt: «Die Daten werden auf den Servern der FER Genf gespeichert», stellt Roxane Zappella klar. REF-lex entlastet die Juristinnen und Juristen, sodass sie sich auf komplexere Fälle konzentrieren können. «Es ist ein enormer Fortschritt für die FER, die beim Einsatz von KI mit gutem Beispiel vorangehen wollte», sagt die Projektleiterin erfreut und plant bereits, das Tool um neue Funktionen, insbesondere Übersetzungen, zu erweitern.
www.ref-lex.ch
